Mittwoch, 14. März 2018

"Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen." Stephen Hawking (angeblich)


Entstelltes Stephen-Hawking-Zitat, 14. März 2018.
 Dieses Zitat ist eine sinnentstellende Verkürzung des Schlußworts von Stephen Hawkings Bestseller "Eine kurze Geschichte der Zeit". 



Eine kurze Geschichte der Zeit

  • "Wenn wir jedoch eine vollständige Theorie entdecken, dürfte sie nach einer gewissen Zeit in ihren Grundzügen für jedermann verständlich sein, nicht nur für eine Handvoll Spezialisten. Dann werden wir uns alle Philosophen, Naturwissenschaftler und Laien mit der Frage auseinandersetzen können, warum es uns und das Universum gibt. Wenn wir die Antwort auf diese Frage fänden, wäre das der endgültige Triumph der menschlichen Vernunft — denn dann würden wir Gottes Plan kennen."
    Stephen Hawking, 1988,
    S. 218

A Brief History of Time

  • "However, if we discover a complete theory, it should in time be understandable by everyone, not just by a few scientists. Then we shall all, philosophers, scientists and just ordinary people, be able to take part in the discussion of the question of why it is that we and the universe exist. If we find the answer to that, it would be the ultimate triumph of human reason — for then we would know the mind of God."
    Stephen Hawking, 1988 (pdf)

Stephen Hawking sagte einmal (Link), er hätte diesen später meistzitierten Gedanken seines  Schlußworts beim Fahnenkorrigieren beinahe gestrichen und wahrscheinlich sei die Hälfte der Buchauflage dieser Gotteserwähnung zu verdanken.
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Das verstümmelte Zitat, "Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen",  ist auf Deutsch seit etwa 6 Jahren verbreitet und impliziert durch die Weglassungen fälschlich, Physiker seien Gottsucher, was vielleicht Theologen gefällt, aber sicher nicht den Intentionen des Atheisten Stephen Hawking entspricht.

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Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit, S. 218

 

Stephen Hawking, 2014:

  • "Before we understand science, it is natural to believe that God created the universe. But now science offers a more convincing explanation." "What I meant by ‘we would know the mind of God’ is, we would know everything that God would know, if there were a God, which there isn’t. I’m an atheist."

    (Bevor wir Wissenschaft verstehen, ist es natürlich zu glauben, Gott habe das Universum erschaffen. Aber heute bietet die Wissenschaft eine überzeugendere Erklärung. Was ich mit "dann würden wir Gottes Plan kennen" meinte, ist, dass wir alles wissen würden, was Gott wüsste, wenn es einen Gott gäbe, aber es gibt keinen. Ich bin ein Atheist.)
    Interview mit  Pablo Jáuregui, El Mundo  


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Quellen:
Stephen Hawking: "Eine kurze Geschichte der Zeit - Die Suche nach der Urkraft des Universums", mit einer Einleitung von Carl Sagan, übersetzt von Hainer Kober, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg: 1988, S. 218
Stephen Hawking: "A Brief History of Time: From the Big Bang to Black Holes." Bantam Books, New York: 1988 (pdf)
 http://www.hawking.org.uk/books.html
Pablo Jáuregui: Stephen Hawking: 'No hay ningún dios. Soy ateo', El Mundo, 21. September 2014 (Link) 
Alan Boyle: "‘I’m an Atheist’: Stephen Hawking on God and Space Travel", nbcnews, 23. September 2014 (Link)
 Zur Übersetzung von "mind": (Link)
Das verkürzte  Zitat taucht im Januar 2012 auf  (Link). 
 Das falsche Stephen-Hawking-Zitat war am Todestag von Stephen Hawking in vielen deutschsprachigen  Medien verbreitet, zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung (Link), im Stern (Link) oder in tagesschau.de (Link).
"Mit diesen Sätzen brachte Hawking die Welt zum Staunen", Stern,  14. März 2018 (Link)
"Stephen Hawking hatte die Gabe, Gedanken prägnant zu formulieren. Eine Auswahl seiner wohl wichtigsten Zitate. " Süddeutsche Zeitung, 14. März 2018 (Link)
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(Artikel in Arbeit.)

"Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.“ Arthur Schopenhauer (angeblich)

Querdenker Club.

Dieses seit etwa 20 Jahren verbreitete Zitat variiert und verkürzt einen Satz aus dem handschriftlichen Nachlaß Arthur Schopenhauers, und ist wahrscheinlich aus einer Rückübersetzung aus dem Englischen entstanden.

Urpünglich lautet Schopenhauers Satz:

Arthur Schopenhauer

  • "Daher sind wir stets bedacht aufzufinden was uns fehlt und darauf unsre Betrachtung zu richten: was wir aber besitzen, läßt jene Maxime uns ungestöhrt übersehn: daher wir, sobald wir etwas erlangt haben, ihm viel weniger Aufmerksamkeit schenken als vorher, selten bedenken was wir besitzen, stets was uns fehlt. " (Link)

Übersetzungen:

  • "We seldom think of what we have, but always of what we lack." 1896 (Link)
  • "We rarely think of what we possess, but always about what we lack."

Rückübersetzungen:

  • "Wir denken selten darüber nach was wir haben, immer nur darüber, was uns fehlt." 1997 (Link) 
  • "Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt." 2005 (Link)
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Shakespeare?


Pseudo-Shakespeare quote.

Die Zuschreibung dieses Zitats an William Shakespeare kann nur irrtümlich passiert sein.

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Arthur Schopenhauer:

  • "Unsre beständige Unzufriedenheit hat großen Theils ihren Grund darin, daß schon der Selbsterhaltungstrieb, übergehend in Selbstsucht, uns die Maxime zur Pflicht macht, stets Acht zu haben auf Das was uns abgeht, um danach für dessen Herbeischaffung zu sorgen. Daher sind wir stets bedacht aufzufinden was uns fehlt und darauf unsre Betrachtung zu richten: was wir aber besitzen, läßt jene Maxime uns ungestöhrt übersehn: daher wir, sobald wir etwas erlangt haben, ihm viel weniger Aufmerksamkeit schenken als vorher, selten bedenken was wir besitzen, stets was uns fehlt. – Jene Maxime des Egoismus die zwar gut ist um die Mittel zum Zweck herbei zuschaffen, zerstöhrt aber zugleich den letzten Zweck, nämlich die Zufriedenheit, selbst: sie ist daher der Bär der dem Einsiedler die Fliege tödtet."
    Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlass
    , Hrsg. von Arthur Hübscher, Band 1, 1966, S. 360 (Link)

  • "Therefore, as soon as we have obtained anything, we give it much less attention than previously; we rarely think of what we possess, but always about what we lack. But that maxim of egoism which is naturally good for procuring the means to the end, at the same time destroys the ultimate aim, namely ..."
    Arthur Schopenhauer: Manuscript Remains in Four Volumes: Early manuscripts (1804-1818), S. 397 (Link)

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Quellen:
Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlass, Hrsg. von Arthur Hübscher, Band 1, Waldemar Kramer, Frankfurt am Main: 1966, S. 360 (Link)
Arthur Schopenhauer: Manuscript Remains in Four Volumes: Early manuscripts (1804-1818), Hrsg. von Arthur Hübscher, übersetzt von Valerie Egret-Payne, Oxford University Press: 1988, S. 397 (Link)

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Anmerkung
Fabel:
"Einst schlief der Einsiedler, und eine Fliege setzte sich ihm auf die Stirn. Halt, sagte der Bär, du böses Thier sollst meinen Herrn nicht im Schlafe stören. Was that er? Er nahm einen großen Stein in die Vordertatzen, und schlug damit nach der Fliege. Freilich schlug er die Fliege todt, aber den Einsiedler auch." (Link)
Bärendienst, nach La Fontaine (Link)

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Dank:

Ich danke Michael Gunczy für den Hinweis auf dieses Zitat und Ralf Bülow für seine Recherche.


 

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein.“ Stephen Hawking (angeblich)

Pseudo-Stephen-Hawking-Zitat.

Dieser mindestens 40 Jahre alte Aphorismus wird Sephen Hawking seit 2001 unterschoben. Er hat ihn weder geprägt, noch jemals verwendet, wie Garson O’Toole (Quote Investigator) herausgefunden und dokumentiert hat (Link).

Geprägt hat den Aphorismus der amerikanische Historiker Daniel J. Boorstin:
  • "The fact is the savior, as long as you don’t jam it into some preconceived pattern. The greatest obstacle to discovery is not ignorance—it is the illusion of knowledge."
    Daniel J. Boorstin, Interview, 19. Januar 1984, The Washington Post
    (zitiert nach Garson O'Toole (Link) ).
     
 Stephen Hawking hinterließ viele schöne und wahre Sätze. Es ist befremdlich, wie oft er an seinem Todestag (14. März 2018) mit diesem falschen Zitat gefeiert wird.

 Twitter, 14. März 2018:

 






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Quellen:
Auf Twitter kommen am Todestag Stephen Hawkings pro Stunde 30-40 verschiedene Tweets mit diesem Zitat; also insgesamt geschätzte 500 Tweets (ohne die Retweets zu zählen).
Twitter english
Twitter deutsch
Garson O’Toole (Quote Investigator):  "The Greatest Obstacle to Discovery Is Not Ignorance—It Is the Illusion of Knowledge: Daniel J. Boorstin? Stephen Hawking? Henry Thomas Buckle? Anonymous?", 2016   (Link)
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Letzte Änderung: 21/04 2020